Wie äußert sich eine Depression?
Depressive Menschen fühlen sich ständig unter Druck und unsicher.
Sie trauen sich nichts zu, sie zweifeln, sie fühlen sich gefangen, unfrei, gehetzt und überfordert. Sie verspüren den Zwang, alles so zu machen, wie sie glauben, dass es von ihnen erwartet wird.
Die treuesten Begleiter der depressiven Menschen sind die Erfahrung von Müdigkeit und Erschöpfung. Sie sind allgegenwärtig.
Ständig müssen und immer über die eigenen Verhältnisse leben, zehrt an den Kräften. Nie fühlt man sich ausgeruht, nie stark, nie unbelastet und nie frei.
Man erlebt sich geschwächt wie nach einer schweren Krankheit, saft- und kraftlos und ohne Energie. Man fühlt sich permanent matt, obwohl man nach außen oft genau das Gegenteil davon ausstrahlt: immer bereit und voller Initiative, unermüdlich und mit einem riesigen Durchhaltevermögen, als ob man Energie für zwei hätte. Es sind innere Antreiber, die nie Ruhe geben, die nie zufrieden sind, die immer noch mehr wollen.
Entwicklung und Ausbruch einer Depression
Unheimlich ist die Depression auch, weil sie sich still und heimlich formt, sich ebenso unsichtbar entwickelt und in einer Art wirksam ist, dass selbst die Menschen, die unter ihr leiden, häufig selbst nicht wissen, dass sie depressiv sind.
Irgendwann im Leben ist dann ein Punkt erreicht, wo die Kraft nicht mehr reicht. Der Körper hat die Notbremse gezogen, weil der Kopf nicht auf die Alarmzeichen gehört hat. Irgendwann einmal ist die letzte Kraftreserve aufgebraucht.
Jetzt ist die latente Depression offensichtlich geworden.
Alles, was vorher selbstverständlich war, geht nicht mehr, alles braucht unendlich viel Kraft und die hat man nicht mehr.
Überforderung in der Kindheit
Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung einer Depression ist die frühe Erfahrung der Brüchigkeit des familiären Systems. Die Eltern sind häufig mit ihrer Beziehung oder Lebenssituation überfordert. Sie können den Kindern keine Sicherheit, Beständigkeit und Geborgenheit vermitteln.
Als brüchig erfahren die Kinder z.B. ein Elternhaus, in dem viel gestritten wird, Eltern sich nicht verstehen und wo wegen jeder Kleinigkeit ein Riesenkrach entsteht. Die Kinder wissen nie, wann die Stimmung umschlägt, warum die Eltern sich plötzlich nicht mehr um sie kümmern, sich nur noch mit sich selbst beschäftigen und sie alleine lassen.
Auch keine Zeit zu haben für die Kinder, aus welchen Gründen auch immer, wird von den Kindern intensiv erlebt als ein sich selbst überlassen werden und weniger wichtig zu sein.
Gerade solche Familien achten sehr genau darauf, dass der äußere Schein gewahrt wird, dass alles seine Ordnung hat und dass das auch so nach außen vermittelt wird.
Auch dieses Muster, nämlich nach außen den Schein zu wahren, wird später bei der Depression im Verhalten der Erwachsenen wieder kehren.
Diese Kinder, die zu wenig Sicherheit und damit auch zu wenig Lebensenergie erhalten, leben in einer Situation, die sie überlastet. Um psychologisch zu überleben müssen sie all ihre Kraft aufwenden.
Um solche Situationen auszuhalten und zu verändern, wählen vor allem sensible Kinder schon früh Strategien, die sie ebenfalls überfordern.
Zum Beispiel setzen sie sich in der Schule unter Druck und sind nur zufrieden, wenn sie beste Noten erzielen. Sie übernehmen Verantwortung für ihre Eltern, indem sie sich ihre Probleme anhören und versuchen, diese für sie zu lösen. Auch später als Erwachsene verlangen sie von sich Höchstleistungen in allen Lebensbereichen. Bis es nicht mehr geht…
Wege aus der Depression
Für einen depressiven Menschen geht es im ersten Schritt um das Verstehen seiner Muster und das Annehmen. Dann ist es möglich, zur Ruhe zu kommen, inne zu halten und den Teufelskreis der depressiven Überforderung zu durchbrechen.
So beginnt der Ausstieg aus der Depression.
Verstehen ist der Boden, die Voraussetzung und die Bedingung, dass ein Verändern möglich wird.
Es beginnt eine Reise in ein neues Land: spannend, abenteuerlich, freudig, aber auch Angst machend und erschreckend zugleich.
Entscheidend für das Gelingen des Ausstiegs aus der Depression sind die Stärken und Fähigkeiten, die bei depressiven Menschen besonders ausgeprägt sind: Belastbarkeit, Zähigkeit und Ausdauer. Zu lernen, diese Stärken zu würdigen, sorgfältig mit sich umzugehen, sich Zeit zu geben und auf sich zu achten wird das Leben lebenswerter und leichter machen.
„Ich bin jetzt ein anderer Mensch. Ich fühle mich stark und leicht, habe einen festen Boden unter den Füßen und weiß auch, wer ich bin und was ich kann. Ich verstecke mich nicht mehr, spiele nichts mehr vor, sondern gebe mich so, wie ich bin. Ich gehe auf andere zu und bin in Beziehungen ohne Angst, nicht geliebt zu werden. Ich manage nicht einfach nur mein Leben und versuche über die Runden zu kommen. Ich lebe und bin frei.“
Zitat aus „Endlich frei“ von Josef Giger-Bütler
Konkrete Schritte aus der Depression:
- Sich Zeit geben, dazu gehört auch sich Zeit nehmen für Regeneration und Erholung
- Nicht immer gleich handeln und die entstehende Spannung aushalten
- Die Zeichen des Körpers ernst nehmen
- Die Muster des „Alles oder Nichts“, des „Jetzt oder Nie“ verändern
- Üben, Geduld mit sich selbst und seinem Zustand zu haben
Was kann eine Psychotherapie bei der Behandlung einer Depression leisten?
Eine Depression beeinträchtigt das Denken, das Fühlen, den Körper, die sozialen Beziehungen – das ganze Leben. Sie ist kein Schicksal, das man hinnehmen muss. Mit der richtigen Therapie sind Depressionen heute gut behandelbar und die Betroffenen sind nicht alleine damit.
Wie bei jeder großen Reise ist ein erfahrener Reisebegleiter an ihrer Seite sehr wertvoll.
Es braucht Zeit und Geduld, Denkmuster und Verhaltensweisen zu verändern.
Professionelle Unterstützung stärkt Selbstvertrauen und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Quellen:
- „Der achtsame Weg durch die Depression“ von Mark Williams & Kollegen
- „Endlich frei – Schritte aus der Depression“ von Josef Giger-Bütler
- „Jetzt geht es um mich – Die Depression besiegen, Anleitung zur Selbsthilfe“ von Josef Giger-Bütler